Was ist Math Marketing?

Einleitung
1 Historie des Math Marketing
1.1 Historie des Math Marketing (bis ca. 1950)
1.2 Math Marketing im Kontext des “Mass Marketing” (1950-1980)
1.3 Customer Relationship Management (CRM) und Digitalisierung (1980-1995)
1.4 20 Jahre Online Marketing (OM) (1995 bis heute)
2 Interdisziplinarität und Innovativität im Math Marketing
2.1 Wachsende Komplexität der Web Analytics
2.2 Gefragt ist Kreativität an beiden „Enden“ des Kontinuums –Ästhetik feat. Analytik
2.3 Berührungsängste mit der Mathematik und Berührungsängste von Mathematikern
2.4 Fusion der Ansätze und Akteure – Innovative Web Analytics
3 Methoden und Systeme im Math Marketing
3.1 Modellansatz und Künstliche Intelligenz-basierte Systeme im Online Marketing
3.2 Zugrundeliegende Systeme und Methoden
3.3 Decision-Support-Tools, Prozess-Integration und Organisation/Framework
4 Der Weg und das Ziel von mathmarketing.net

Einleitung

Math-Markeiting ist die Fusion aus mathematischen und marketingtechnischen Methoden. Wir verstehen darunter das Zusammenwirken von

1 Historie des Math Marketing

1.1 Historie des Math Marketing (bis ca. 1950)
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Marketing-analytisch waren wohl Tiffany´s Blue Book (1845), Pryce Pryce-Jones (1861) und Aaron Montgomery (1872) die ersten, die Briefe in Form von Katalog-Bestellungen mit Preislisten und Bestellinformationen verschickten, ihre Ergebnisse kontinuierlich analysierten und erfolgreich optimierten. Frederick Winslow Taylor wiederum war einer der ersten Management Consultants (1911), der dem sog. „Efficiency Movement“ angehörte und sich für die Standardisierung von mathematischen Methoden und ihre Adaption in Unternehmen einsetzte – die Geburtstunde der Managementwissenschaften.

 

1.2 Math Marketing im Kontext des “Mass” Marketing (1950-1980)

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Ab 1950 beginnen die Massenmedien (Print, Radio und später TV) Marketingdaten zu sammeln. Diese Phase war durch die Knappheit von relevanten Daten gekennzeichnet. Diese stammten vorrangig aus den Verkaufszahlen, Investitionen und Marktforschungsdaten (Umfragen, allgemeine Statistiken etc.). Die sog. Ökonometrie (engl. econometrics) war das dominierende Modell dieses Zeitalters. Pawel Ciompa (1910) und Ragnar Frisch (1936) waren die ersten die den Begriff der Ökonometrie prägten. Mit der Analyse von Marketingdaten durch die Massenmedien nahm die praktische Relevanz der Ökonometrie rasant zu und prägte dieses Zeitalter.
Die Ökonometrie umfasst die Anwendung von mathematischen Techniken, statistischen Methoden und der Computerwissenschaften auf ökonomische Daten. Sie befasst sich mit der quantitativen Analyse von großen Datenmengen, mit dem Ziel Beziehungen zwischen ihnen herzustellen und daraus Schlussfolgerungen abzuleiten. Ebenso zählt das Operation Research zu den Verfahren, die eine Methodensammlung zur mathematisch gestützten Analyse, Entscheidungsfindung und Optimierung bereit stellen. Die Phase des Mass Marketing ist geprägt von der Knappheit von Markt- bzw. Kundendaten und der relativ großen Menge an Methoden und Techniken, die zur Applikation zur Verfügung standen.

 

1.3 Customer Relationship Management (CRM) und Digitalisierung (1980-1995)

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Die Knappheit der Daten gehörte mit der Einläutung der Ära der Digitalisierung zunehmend der Vergangenheit an. Denn plötzlich wurde alles messbar, alles generierte Daten und die globalen und corporalen Datenvolumina stiegen mit der Einzug der Computer in die Unternehmen exponentiell an. Im Kontext des Marketing stellen CRM-Systeme die nächste Generation von Datenerhebungs, -analyse und verarbeitungsmethoden dar. In CRM-Systemen stehen Daten über die Kunden im Zentrum. Vor allem in den 1990er Jahren wurden CRM-Systeme zum Standard in den Informationssystemen der Unternehmen.
Mittels Datenbanken und Data Warehouses wurden Kunden-Transaktionen, der Kundennutzwert, und ihr Antwort- und Reaktionsverhalten sowie ihre Demographie in CRM-Systemen erfasst, analysiert und daraus Marketing-Strategien erarbeitet. Sog. Loyality-Cards, Life-Time-Values (LTV) der Kunden und RFM-Modelle (Recency, Frequency & Monetary Value), sog. Anti-Attribution-Modelle (mit Wahrscheinlichkeitensmodellen zur Kundengewinnung) sowie auch die Markenwahrnehmung (engl. Brand-Awareness) stehen im Zentrum der angewandten Methoden im Kontext des CRM.
Dabei gilt es, die Fragen zu klären, welches die “wertvollsten” Kunden sind, was hierfür die wichtigsten Schritte sind und wie man diese am besten erreichen kann. Robert und Kate Kestnbaum gehören zu den Pionieren im Datenbank-Marketing. Diese entwickelten neue Metriken wie z. B. die sog. “Customer Lifetime Value” und wendeten Bilanzierungsmodelle und die Ökonometrie auf das Marketing an. Weitere führende Denker im Datenbank-Marketing waren Robert Blattberg, Rick Courtheaux und Robert Shaw.

 

1.4 20 Jahre Online Marketing (OM) (1995 bis heute)

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Math Marketing ist im Kontext des erst 20 Jahren altem Online Marketing (OM) und der sog. Web Analytics mehr gefragt denn je. Die Menge der Daten hat weiter exponentiell zugenommen. “Big Data” ist das Buzzword unserer Zeit. Betrachtet man die Vielzahl der Kanäle im OM (SEO, SEA, Email-Marketing, Social Media Marketing, Affiliate Marketing, Content Marketing, Display Ads etc.) und damit verbunden die Bandbreite der Möglichkeiten der Datenerhebung und -analyse steht man einem hochspezialisiertem Bereich bevor, wo der 360°-Blick so gut wie unmöglich zu erhalten ist, so auch Maex (2009). Die Fragmentierung der zugrunde liegenden Analysetechniken und -tools und ihre Fülle, die Isoliertheit der Daten, hunderte von Metriken und Key Performance Indicators (KPI) lassen nur einen Schluss zu: Die Zukunft des OM liegt in der Analytik bzw. Mathematik. Die unzähligen und hochspezialisierten analytischen Werkzeuge und Methodik, die OM-Kampagnen zugrunde liegen, folgen immer mehr standardisierten Prozessen, die bei anhaltender Marktdurchdringung und Konkurrenz zu immer kleineren Margen führen. Die Qualität der Datenbasis, die Durchdachtheit der Verarbeitungslogik und die Fähigkeit, mithilfe mathematischer Techniken und Methoden Prognosen und Voraussagen daraus zu treffen ist wettbewerbsentscheidend.

 

2 Interdisziplinarität und Innovativität im Math Marketing

2.1 Wachsende Komplexität der Web Analytics

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Big Data, das der Web Analytics und den Data-Warehouses zugrunde liegt, wächst quantitativ uznd qualitativ exponentiell an, was einer höhere Verarbeitungskomplexität zur Folge hat. Dies hat auch zur Folge, dass traditionelle Datenbanksysteme, wie z. B. relationale Datenbanken bei der wachsenden Komplexität von Datentypen nicht mehr Schritt halten können. Zur Verarbeitung von Big Data werden neue Technologien entwickelt, wie z. B. Apache Hadoop, ein Framework für skalierbare, verteilt arbeitende Datenbank-Managementsysteme. Ebenso erfordert die stetig anwachsende Standardisierung der Prozesse eine maschinengestützte Automatisierung des Marketing-Informationssystems (MIS) entlang der Wertschöpfungskette im OM. Dies führt zu einer Verschiebung der Methodik innerhalb des OM zugunsten von Modell-getriebenen Ansätzen. Die neuen Anforderungen für den Kampagnenerfolg liegen damit in der Komplexitätsbewältigung, verursacht durch die neue Quantität und Qualität auf der Datenseite. Diese kann nur durch eine streng mathematische Annäherung nachhaltig beherrscht werden.

 

2.2 Gefragt ist Kreativität an beiden „Enden“ des Kontinuums – Ästhetik feat. Analytik

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Natürlich wird Kreativität im Marketing, unabhängig von den mathematischen Skills – hoffentlich immer – zum Erfolg führen. So werden auch in Zukunft Teenager und junge Talente weiterhin mit Kreativität, Mut und ästhetischem Sinn Beachtung, Gehör und damit Erfolg finden. Dies stellt die ästhetisch-kreative Seite des Marketings dar. Die analytisch-kreative Seite des Marketings wiederum beinhaltet die innovative Konzeption von Modellen. Diese Modelle folgen dem Ziel, die zugrunde liegenden Web Analytics-Daten und -Prozesse mit Metriken und KPI (Key Performance Indicators, dt.: Erfolgskritische Kennzahlen) in einem großen und ganzheitlichem Konzept zu verbinden. Dieses Große und Ganze präsentiert sich in Form von innovativen MIS, deren Software- und Hardware-Architektur auf neuartigen mathematischen Modellen beruht. Hier setzt Math-Marketing an.

2.3 Berührungsängste mit der Mathematik und Berührungsängste von Mathematikern

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Viele Akteure aus dem Marketing scheuen den Kontakt mit mathematischen Methoden und Werkzeugen. Andersrum scheuen viele Mathematiker den Kontakt mit Ideen aus dem Marketing oder sie wird von ihnen trivialisiert. Das Klischee ist, dass im Marketing eher Menschen mit starken kommunikativen Skills zu finden sind, die ihrerseits vor zu vielen Details zurück schrecken und eher Abstand zu analytischen Konzepten halten. „Mathematiker“ haben nicht selten auch moralische Vorbehalte, gegen den Begriff des Marketings, als Maßnahme des aufdringlichen Verkaufen wollens. Mathematisch veranlagten Zeitgenossen wiederum wird eher nachgesagt, dass sie als Nerds oder Freaks in Hinterkämmern eigenbrötlerisch ihr eigenes Süppchen kochen und fern jeder Realität mit Formeln und Algorithmen hantieren.

 

2.4 Fusion der Ansätze und Akteure – Innovative Web Analytics

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Natürlich sollen diese gegenseitigen Berührungsängste in diesem Blog nicht künstlich hochgespielt werden. Ganz im Gegenteil, der Blog soll dazu verhelfen, ein gegenseitiges Verständnis dafür aufzubauen, die Freude und Leidenschaft an der Mathematik mit der Freude und Leidenschaft an der Marktkommunikation zu fusionieren. Denn es mangelt an Modellen, die die kommunikative – menschlich-irrationale – Dimension in die analytische – Software-gestützte – Dimension integrieren. Auf diesen Seiten finden Sie Ideen, Handlungsleitfäden, Methoden, Werkzeuge und Beispiele dafür, wie diese interdisziplinären und zukunftsweisenden Konzepte synergetisch miteinander vereint werden können. Denn es reicht nicht aus, dass inhouse ein kompetentes Team zusammenarbeitet. Die Bedeutung der Beziehungen mit Dienstleistungs-Partnern (Multipartner-Management), Tool-Anbietern und externen Datenpools wird zunehmend größer. Das Outsourcing von Dienstleistungen an unterschiedliche Akteure, die Know-How-seitig, Infrastruktur-seitig und Daten-seitig den Unternehmen einen Vorsprung verschaffen können wird zunehmend unverzichtbarer.

 

3 Methoden und Systeme im Math Marketing

3.1 Modellansatz und Künstliche Intelligenz (KI)-basierte Systeme im Online Marketing

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Der immer härter werdende Wettbewerb im OM kann also nur durch ein ausgeklügeltes mathematisches System funktionieren, das selbstlernend und selbstoptimierend ist. Die – auch heute noch- der Web Analytics zugrunde liegenden mathematischen Methoden sind sehr alt. Statistische Verfahren, Data Mining, logistische Regressionen, Diskriminanten-Analysen, Maschinenlernverfahren sowie Methoden der KI bestimmen nach wie vor die Auswertungsmodelle der Zukunft. Neuere Technologien wie Neuronale Netzwerke, Genetische Algorithmen, Entscheidungsbäume (engl. decision trees), Fuzzy Logik füllen immer mehr die „Werkzeugkästen“ des Math-Marketings. Der Einsatz von Marketing-Metriken, mathematischen Formeln zur Ermittlung von Statistiken und Korrelationen, von Mustererkennungsverfahren, Prognosen, Tests etc. zur Analyse von Big Data ist die Herausforderung unserer Zeit im Marketing- „math counts“ (vgl. auch The Guardian 2014 / Adobe 2014 ).

3.2 Zugrundeliegende Systeme und Methoden

Zahlreiche Tracking-Tools und Methoden liefern aus zahlreichen Kampagnen Millionen und Milliarden von Daten, die in einem Web Analytics-Data Warehouse abgelegt werden. Es gilt auf Basis der gesammelten Daten einen ganzheitlichen Einblick in die Marketing-Performance zu gewinnen. Zu den Platzhirschen im Segment der Web Analytic-Tools gehören Google Analytics, Adobe Analytics bzw. Adobe Marketing Cloud, Coremetrics Analytics (IBM), Yahoo Web Analytics, Facebook Insights, Twitalyzer etc. Eine Analyse dieser Daten “mit dem bloßen Auge” und einer einfachen graphischen Visualisierungen, so wie es immer noch vielerorts und vielfach praktiziert wird, greift zu kurz. Hier ist eine Automatisierung der Marketingprozesse von Nöten, die auch die Entscheidungsfindung unterstützen muss.

 

3.3 Decision-Support-Tools, Prozess-Integration und Organisation/Framework

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Gemäß Möller und Landry (2008) stellt die analytische nur eine von vier Dimensionen dar (vgl. auch Maex 2009). Daneben unterscheiden sie einerseits die Bedeutung von Werkzeugen zur Entscheidungsunterstützung (engl.: decision support tools). Andererseits betonen sie die Wichtigkeit der zugrunde liegenden Prozesse und deren Integration in den unternehmerischen Workflow. Im Kontext der Organisation und des vorliegenden Frameworks unterstreichen sie die Notwendigkeit weitreichender Skills des Chief-Marketing Officers (CMO). Neben der Formulierung von neuen Job-Definitionen komme dem CMO vor allem die Aufgabe zu, ein sog. Center of Excellence (CoE)-Team zu bilden, mit einem interdisziplinär ausgebildetem und eingespielten Pool an Spezialisten. Das Web-Analytics-Team setzt sich dabei aus den folgenden Mitgliedern zusammen (vgl. Maex 2009): Web Analyst, Website Optimizer, Search Analyst, Qualitative Market Researcher, Media Analyst, social Metrics Expert, Database Marketer, Quantitative Market Analyst, Audience Researcher, Data Miner, Digital Media Analytics Expert, Ökonometriker, (Public Relations) PR-Spezialist etc.

 

4 Der Weg und das Ziel von mathmarketing.net

Auf dieser Blog-Startseite haben Sie einen Überblick über das gegenwärtige Beziehungsgeflecht zwischen Mathematik und Online Marketing bekommen. Dabei wurden viele Themen angeschnitten. Diese werden in den unterschiedlichen Bereichen dieses Blogs vertieft. Es ist das übergeordnete Ziel dieses Blogs, die hohe Komplexität der analytischen Dimension auf ein Minimum zu reduzieren. Dies soll dadurch gelingen, dass

        • die unermessliche Fülle an Messdaten und -methoden veranschaulicht und
        • ihr Zusammenwirken transparent gemacht wird sowie
        • Möglichkeiten der Dateninterpretation und
        • Datenoptimierung aufgezeigt werden und
        • Techniken und Methoden für Prognosen, Simulationen und Tests vorgestellt werden.

Dazu ist dieser Blog in Bereiche unterteilt, die für sich jeweils eine andere Sicht auf die komplexe Thematik geben. Dies sind die folgenden Bereiche:

 

Quellverzeichnis:

Adobe (2014): Cory Edwards – Social Media and Math: Make your Marketing Efficient
http://blogs.adobe.com/digitalmarketing/social-media/social-media-math-like-chocolate-peanut-butter/

Altmann, G. (2015) : Grafiken/Bilder/Illustrationen in diesem Blog erarbeitet von Gert Altmann

https://pixabay.com/en/users/geralt-9301/

dziejekrakowa.pl (2015): Pawel Ciompa (entnommen aus Encyklopedia Krakowa, Wydawnctwo naukowe PWN, Warszawa – Krakow, 2000)
http://www.dziejekrakowa.pl/biogramy/index.php?id=516

Frisch, Ragnar (1936): “A Note on the Term ‘Econometrics’,” Econometrica, 4(1), p. 95.

Huygens, Christiaan (1657): De Ratiociniis in Ludo Aleae, The Hague
http://www.stat.ucla.edu/history/huygens.pdf

Maex, Dimitri (2009): Math Marketing – The New Landscape of Marketing Analytics. Ogilvy Insight. Intellectual capital from ogilvy AUGUST 2009
https://assets.ogilvy.com/truffles_email/math_marketing/Math_Marketing_August_2009_O_M_version.pdf

Moeller, Leslie / Landry, Edward (2008): The Four Pillars of Profit-Driven Marketing: How to Maximize Creativity, Accountability, and ROI. McGraw-Hill.

Newton Powys (2011): Pryce Pryce-Jones. The buildings exterior has undergone a much needed clean up.
https://newtownpowys.wordpress.com/2011/12/18/pryce-pryce-jones/

Shaw, Robert (1991): Computer-Aided Marketing and Selling: Information Asset Management. Butterworth-Heinemann Ltd. Oxford.

Taylor, Frederick Winslow (1911): The Principles of Scientific Management; Harper & Brothers; New York, NY, USA and London, UK.

The Guardian (2014): Ernie Capobianco – Maths marketing: why modern ad agencies need mathletes
http://www.theguardian.com/media-network/media-network-blog/2014/oct/02/maths-marketing-ad-agencies-mathletes

Tiffany & Co. (2015):
http://www.tiffany.com/WorldOfTiffany/TiffanyStory/Legacy/BlueBook.aspx